Zur Parteireform

Angesichts der hohen Verluste der SPD bei der letzten Bundestagswahl und der davon angestoßenen richtigen Ankündigung des Parteivorstandes, eine grundlegende Diskussion über die Inhalte und Strategien der Partei zu führen, wird

  1. der Stadtverbandsvorstand beauftragt,
    • eine parteioffene Arbeitsgruppe des Stadtverbandes einzurichten, die ausgehend von den in der Begründung niedergelegten Überlegungen ein Thesenpapier zu den Zielen der Reform der SPD auf allen Ebenen und in allen Bereichen erarbeitet und
    • auf dem für Dezember geplanten Parteitag darauf hinzuwirken, dass der Prozess der Umorientierung nicht auf diesem Parteitag beendet, sondern im Gegenteil erst strukturiert und begonnen wird,
    • Sorge zu tragen, dass die Strukturkommission des Stadtverbandes und der Ortsvereine spätestens im Sommer 2018 eine umfassende Analyse der Organisation und Arbeit der SPD in Göttingen vorlegt, und
  2. der SPD Unterbezirksvorstand aufgefordert,
    • umgehend einen außerordentlichen Unterbezirksparteitag zum Thema der umfassenden Erneuerung der Partei einzuberufen, der jedenfalls vor dem 6. Dezember dieses Jahres stattfindet, und
    • eine parteiöffentliche Arbeitsgruppe des Unterbezirks einzurichten, die zu einem gesondert ein zu berufenden Unterbezirksparteitag 2018 eine umfassende Analyse der Organisation und inhaltlichen Arbeit des Unterbezirks vorlegt.

 

Begründung:

  1. Das bundesweit erzielte Ergebnis der SPD ist gekennzeichnet durch Verluste in allen Alters-, Bildungs- und Berufsgruppen und unabhängig vom Geschlecht der Wählerinnen und Wähler.
    Das erzielte Ergebnis kommt nicht völlig unerwartet. In der 2005 geschlossenen großen Koalition waren es sozialdemokratische Ministerinnen und Minister, die das Bild und die Arbeit der Regierung zentral mitbestimmt haben. Bei den anschließenden Wahlen 2009 haben wir als Folge der Einbindung unserer Partei in die große Koalition 11,2 Prozent verloren.
  2. Auch die Erfolge der SPD in der aktuell beendeten großen Koalition – erinnert sei u. a. nur an die Einführung des Mindestlohns – finden im Wahlergebnis keinen Niederschlag. Die Arbeit der sozialdemokratischen Ministerinnen und Minister ging im Gesamtbild des Regierungshandelns unter.
  3. Zugleich muss für beide Zeiträume kritisch festgehalten werden, dass die SPD objektiv dazu beigetragen hat, der Regierung das notwendige Mindestmaß an gesellschaftlicher Zustimmung zu sichern, ohne dabei im Kern die Hegemonie des neoliberalen Denkens zu brechen.
  4. Ergebnis dieser Politik ist der Verlust von 13,8 Prozent für die Volksparteien CDU/CSU und SPD bei den diesjährigen Bundestagswahlen. Die SPD sackte auf 20,5 Prozent ab und die AfD zog mit 12,6 Prozent in den Bundestag ein. – Zur Erinnerung: Am 14. 9. 1930 zog die NSDAP erstmals mit einem zweistelligen Ergebnis von 18,6 Prozent in den Reichstag ein. Damals hieß die fahrlässige Analyse: Nicht schlimm!
  5. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir die Erklärungen des Parteivorstandes,
    – die Zusammenarbeit mit der CDU/CSU zu beenden und nicht erneut in eine
    große Koalition einzutreten,
    – dass die SPD in einen Prozess zur Neubestimmung ihrer Politik und Organisation beginnen wird.
  6. Dafür wird es nicht ausreichen, nur Personen auszuwechseln, sondern es müssen die Inhalte und die politische Strategie der SPD neu bestimmt werden. Wir müssen uns auf allen Ebenen der Partei wieder auf unsere Werte und die Prinzipien unserer politischen Arbeit besinnen.
  7. Aufgabe dieses Diskussionsprozesses muss es sein, mit großer Klarheit und Schärfe den politischen Diskurs über die gesellschaftlichen Themen der Zukunft – und hier insbesondere über die sozio-ökonomischen Fragen auch angesichts der Globalisierung und zukünftiger Entwicklungen wie der Digitalisierung und der Industrie 4.0 – führen. Wir müssen dabei klar Front machen gegen Neoliberalismus und Konservatismus.
  8. Dazu gehört der Einsatz für gleichberechtigte Teilhabechancen für alle und in allen gesellschaftlichen Bereichen, z. B. in der Bildung und bei der Arbeit. Dazu gehört der Kampf um die soziale Demokratie und das Selbstbestimmungsrecht für alle Menschen, z. B. um mehr Mitbestimmung in Betrieben, Renten, Pflege und Wohnungsbau.
    Dazu gehört aber auch konsequentes politisches Handeln in den Parlamenten, jenseits der ausgetretenen Pfade und Rituale. Dazu gehört eine lebendige OV-Arbeit wie sie in Göttingen mit VOTE, den Programmwerkstätten und mit öffentlichen Gesprächskreisen betrieben wird.
  9. Die SPD hat mit ihrem Kandidaten Thomas Oppermann den Wahlkreis 53 das Direktmandat errungen. Dabei ist der Erfolg wesentlich auf das Ergebnis in der Stadt Göttingen zurückzuführen (+ 5.733 Stimmen), das das schlechte Ergebnis im Landkreis Göttingen (- 2.940 Stimmen) aufgefangen hat. Auch bei den Zweitstimmen liegt die SPD (26,06 %) in Göttingen vor der CDU (24.15 %). Dieses Ergebnis liegt deutlich über dem Bundesergebnis, aber leider unter dem Kommunalwahlergebnis der Göttinger SPD (-6,0 %).
    Ein Bezug zu der hier praktizierten Politik ist nicht von der Hand zu weisen. Trotzdem bedarf es auch für die Göttinger SPD eines zugespitzten Diskussionsprozesses über unsere Organisationsstrukturen und die Verteilung der finanziellen Ressourcen.
  10. Die notwendige und angekündigte tief greifende Umorientierung ist aus Sicht der SPD in Göttingen nicht wie bisher vom Parteivorstand geplant bis Dezember dieses Jahres zu leisten. Dafür verlangen wir einen längeren Zeitraum. Die Erneuerung der SPD ist zudem und vor allem eine Aufgabe der Basis.